In Herden leben - sueddeutsche.de 23.02.11
In Herden leben
Eine Sechshundert-Kilo-Entdeckung - Nicolas Steiners mitreißender Dokumentarfilm 'Kampf der Königinnen'
In Herden leben
Eine Sechshundert-Kilo-Entdeckung - Nicolas Steiners mitreißender Dokumentarfilm 'Kampf der Königinnen'
Kühe sind soziale Wesen, Menschen auch. Wie Mensch und Kuh miteinander leben, wenn keine Massentierhaltung ein echtes Miteinander ausschließt, und wie sie das Leben in ihren jeweiligen Herden organisieren, davon erzählt Nicolas Steiners so kluger wie unterhaltsamer Dokumentarfilm 'Kampf der Königinnen' in der Perspektive Deutsches Kino.
Die großen Filmfestivals sind ja in erster Linie Arenen fürs Weltkino; aber sie sind eben auch dazu da, unbekannten Regisseuren eine Plattform zu bieten, Regisseuren wie Steiner, dessen Film eine Studentenproduktion an der Filmakademie Ludwigsburg ist: junges, kraftvolles, originelles Kino, auf das die strapazierte Formel von der Entdeckung doch noch einmal zutrifft. Der 'Kampf der Königinnen' ist ein Kuhkampf, bei dem die Tiere gegeneinander antreten, um die Rangordnung in der Herde auszukämpfen. Vor allem in der Süd- Schweiz hat man ein Volksfest daraus gemacht. Da schieben dann Kühe von sechs- bis siebenhundert Kilo ihre Gegnerinnen durch den Sand. Sie schnauben, scharren und stoßen ihre Hörner gegeneinander. Verloren hat die Kuh, die schließlich zurückweicht. |
Steiner hat in Schwarzweiß gedreht, zeigt die Kämpfe zum Teil in Zeitlupe und unterlegt das Ganze mit einer avantgardistisch klingenden Musik aus Jodlern, Alphörnern und Gesang. So schafft er eine Überhöhung, weg vom Folkloristischen, vom braven Direct-Cinema-Stil. Und er reduziert seine Erzählung nicht auf den spektakulären Kampf, sondern zeigt auch den Alltag der Kühe und ihrer Menschen: einen Bauern mit Rauschebart, der ein winziges Kleinkind eine riesenhafte schwarze Kuh füttern lässt (die Kuhzunge ist größer als der Kinderkopf). Oder die Jungs auf den Motorrollern, die auf dem Volksfest vor allem die hübsche junge Züchterin Deborah wiedersehen wollen, deren Kuh ebenfalls kämpft. An keinem Punkt mokiert sich der Regisseur, der selbst in einem kleinen Dorf im Süden der Schweiz aufgewachsen ist, über die merkwürdigen Riten der Provinzler, im Gegenteil.
Wie sie umeinander werben oder sich Respekt verschaffen, notiert sein Film so leichthändig, wie er die Schönheit und gelassene Kraft der Tiere bewundert. Tradition und Moderne scheinen plötzlich versöhnt zu sein, den Kühen sei Dank. MARTINA KNOBEN |

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